Freilassing

Freilassing ist der letzte deutsche Bahnhof an der Hauptstrecke München - Rosenheim - Salzburg. Unweit des Einfahrsignals Seite Salzburg liegt die Landesgrenze zu Österreich.

 

Stellwerktechnisch ist der Bahnhof bekannt, weil er als letzter Bahnhof noch originale Bayrische Ruhesignale aufwies. Es gab zwar noch auf anderen Bahnhöfen solche Signale, aber ohne Ruhestellung, also mit dem Signalflügel nach unten.

 

 

Foto aus dem Buch "Fahrt frei / Bayrische Signale und Stellwerke" von Robert Zintl, Motorbuch Verlag Stuttgart 1978 (Sammlung Niklaus)

 

 

Der Gleisplan weist einige Besonderheiten auf. Zum besseren Verständnis deshalb hier der gleiche Plan mit von mir eingefügten Gleisnummern und Richtungspfeilen. Die Gleisnummern entsprechen also nicht dem Original.

Der Gleisplan lässt vermuten, dass damals andere Betriebsabläufe als heute vorherrschten. So könnte man sich vorstellen, dass ein Zug von Bad Reichenhall in Gleis 1 einfährt, die Lok die Wagen umfährt und dann wieder nach Bad Reichenhall ausfährt. Doch schon das Umfahren wäre wegen den vielen einfachen Kreuzungsweichen Seite Rosenheim / Bad Reichenhall nicht ganz einfach. Und wenn man die Lok dann glücklich auf die andere Seite gebracht hätte, würde man feststellen, dass aus Gleis 1 nicht Richtung Bad Reichenhall ausgefahren werden kann: Es gibt kein Ausfahrsignal...

 

Ausser dem Gleisplan habe ich keine weiteren Unterlagen zu Freilassing. Ein Nutzer der Homepage, Philipp Dißelkamp aus München hat anhand eines historischen Kursbuchs Überlegungen zur Gleisbenutzung gemacht. Hier seine Ausführungen: 

 

 

Nutzung des Bahnhofes Freilassing im Jahr 1939


Diese Übersicht entstand auf einem Gleisplan aus dem Jahr 1933, sowie dem Kursbuch des Jahres 1939.

 

Gleis 1:
Diente vermutlich den Zügen von Berchtesgaden nach Salzburg. Im Sommerfahrplan 39 wurden alle Züge von Berchtesgaden nach Salzburg durchgebunden, dies betraf 12 Zugpaare. Dieses Gleis war nur in Richtung Salzburg befahrbar, auf der Rosenheimer Seite gab es damals noch kein Ausfahrsignal.


Gleis 2:
Dieses Gleis war das durchgehende Hauptgleis von Rosenheim nach Freilassing. Hier hielten alle Züge, welche von Rosenheim nach Salzburg fuhren. Auch dieses Gleis war nur in eine Richtung befahrbar, aus Richtung Salzburg konnte nicht eingefahren, nach Rosenheim/Berchtesgaden nicht ausgefahren werden.

 

Gleis 3:
Dieses Gleis ist eines der wenigen, welches flexibel genutzt werden konnte, es sind auf beiden Seiten Ausfahrsignale vorhanden. Vermutlich waren Ein-/und Ausfahrten nach Salzburg, Berchtesgaden und Freilassing möglich. Auch bestand die Möglichkeit, hier Züge der Relation Salzburg – Rosenheim an die Seite zu nehmen, was allerdings planmäßig nicht erfolgte. Möglich ist auch, das hier einige Züge der Relationen Salzburg – Rosenheim bzw. Salzburg – Freilassing hielten, um für Reisenden aus Richtung Freilassing/Rosenheim einen bahnsteiggleichen Umstieg zu ermöglichen.

 

Gleis 4:
Dies war das durchgehende Hauptgleis der Relation Salzburg – Rosenheim. Ein Ausfahrsignal gab es nur auf der Rosenheimer Seite. Einfahrten aus Freilassing/Rosenheim waren vermutlich nicht möglich, da ein entsprechendes Zielsignal für solche Fahrten fehlt.

 

Gleis 5:

Dieses Gleis war das "Jokergleis", hier konnte aus allen Richtungen ein- und ausgefahren werden. Definitiv hielten auf diesem Gleis die

Züge D 226, D 232, D 233, D 227. Diese verkehrten von Berchtesgaden nach Berlin/Dresden u. zurück, und nutzen dabei den Weg über Mühldorf und Hof. Diese mussten wegen der Gleisverbindungen - nur dieses Gleis ist sowohl von/nach Berchtesgaden als auch von/nach Mühldorf erreichbar - Gleis 5 nutzen. Unwahrscheinlich hingegen ist ein umrangieren der gesamten Wagengarnitur.

 

Gleis 6:
Dieses Gleis war ein bahnsteigloses Gleis, in dem keine Zugfahrten stattfinden konnten.

 

Gleis 7:
Hier dürften vor allem die Züge aus Richtung Mühldorf gehalten haben. Interessanterweise endete kein Zug aus Mühldorf in Freilassing, alle waren bis Salzburg durchgebunden. Alle die Mühldorfer Strecke nutzenden höherwertigen Züge machten in Freilassing Kopf und fuhren weiter nach Berchtesgaden. Es gab nur Richtung Salzburg ein Ausfahrsignal. In dieses Gleis konnte nur aus Mühldorf eingefahren werden.

 

Gleis 8:
Dieses Gleis dürfte den Zügen von Salzburg nach Mühldorf gedient haben, genauso wie in Freilassing endenden Zügen. Ein Ausfahrsignal gab es nur auf der Mühldorfer Seite, und aufgrund der Weichenverbindungen konnte nur von Salzburg ein, und nach Mühldorf ausgefahren werden.

 

Gleise 9 – 13:
Diese Gleise waren bahnsteiglose Gütergleise, auf denen Zugfahrten stattfinden konnten. Die Gleise 10 bis 12 hatten Ausfahrsignale Richtung Osten, aus den Gleisen 9, 10 und 13 konnte nach Salzburg ausgefahren werden. Ob aus den Gleisen 10, 11 und 12 jeweils auf alle Strecken ausgefahren werden konnte, ist aus den vorliegenden Materialen nicht ermittelbar. Vermutlich gab es Fahrtstraßen, um aus allen 3 Gleisen nach Rosenheim ausfahren zu können.

 

Gleise 14 – 21:
Dies waren reine Rangiergleise, in die vom Ablaufberg aus abgestoßen werden konnte. Dabei waren die Gleise 14 bis 17 durchgehend, bei den Gleisen 19 bis 21 handelte es sich um Stumpfgleise.
Die Ortsgüteranlage befand sich neben der Ausfahrt nach Bad Reichenhall (Berchtesgaden), also südlich der Gleisanlagen.

 

Anmerkungen:
- Bis auf L 5/6 „Orient-Express“ halten alle Züge in Freilassing:
- Es ist durchaus denkbar, das Züge der Relation Berchtesgaden – Salzburg auf Gleis 2 hielten, um einen Bahnsteiggleichen Umstieg zu den Zügen Richtung Rosenheim zu bieten, welcher dann auf Gleis 3 abfuhr. Das gleiche dürfte durchaus auch an Gleis 4 und 5 vorgekommen sein, hier um einen bequemen Umstieg für Reisende aus Richtung Mühldorf nach Rosenheim zu ermöglichen.
- Kein Zug aus Richtung Mühldorf endete in Freilassing!
- Durchaus denkbar ist auch, das Züge aus Salzburg, welche in Freilassing endeten, Gleis 8 nutzen.
- Welche Gleise die Züge, welche nur zwischen Salzburg und Freilassing verkehrten nutzen, lässt sich aus dem Kursbuch nicht feststellen. Möglicherweise gab es bei diesen Züge kein System, und es wurde genutzt was gerade frei war.

Text von Philipp Dißelkamp, München

 

 

 

Hier zum Vergleich meine Vermutungen. Als Quelle diente ausschliesslich der Gleisplan:

 

Gleis 1

Einfahrgleis von Bad Reichenhall. Von Rosenheim kann mangels Weichenverbindungen nicht eingefahren werden

 

Gleis 2

Durchgehendes Hauptgleis Rosenheim - Salzburg. Von Bad Reichenhall kann nicht eingefahren werden

 

Gleis 3

Dieses Gleis hat in beiden Richtungen Ausfahrsignale. Hier sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Es dürfte mal das Gleis für Züge nach Bad Reichenhall gewesen sein. Bei Zügen aus München, die an Gleis 2 ankommen, konnte so perrongleich umgestiegen werden. Zusätzlich könnte es als Überholgleis für Lokalzüge genutzt worden sein, sowohl in Richtung Rosenheim - Salzburg als auch  in der Gegenrichtung. Eine weitere denkbare Nutzung wären Züge Rosenheim - Freilassing - Rosenheim, z.B. der letzte Abendzug, der in Freilassing übernachtet und am frühen Morgen Richtung Rosenheim zurückfährt

 

Gleis 4

Durchgehendes Hauptgleis Salzburg - Rosenheim. Richtung Bad Reichenhall kann nicht ausgefahren werden

 

Gleis 5

"Jokergleis" für alle Richtungen. Hier gilt grundsätzlich das Gleiche wie für Gleis 3, zusätzlich sind auch Fahrten von / nach Mühldorf weichentechnisch möglich. Es ist das einzige Perrongleis, das Weichenverbindungen von und nach Bad Reichenhall, Rosenheim und Mühldorf aufweist. Ob auch überall signalmässige Fahrstrassen vorhanden waren, kann ich hingegen nicht beurteilen.

 

Gleis 6

Abstellgleis, keine Zugfahrstrassen möglich. Seite Salzburg gibt es einen Schutzstumpen, auf der anderen Seite nicht. Deshalb ist dort ein Sperrsignal vorhanden

 

Gleis 7

Züge von Mühldorf. Keine Weichenverbindungen von Bad Reichenhall oder Rosenheim.

 

Gleis 8

Züge nach Mühldorf. Keine Weichenverbindungen nach Bad Reichenhall oder Rosenheim

 

Gleise 9 - 13

Gütergleise. In beiden Richtungen sind aus je 3 Gleisen Ausfahrten möglich. Hier ist Gleis 10 das "Jokergleis", das Ausfahrten in beide Richtungen erlaubt.

Es ist zu vermuten, dass aus Gleisen  10 - 12 nicht Fahrstrassen nach allen 3 möglichen Richtungen einstellbar waren. Ich könnte mir vorstellen, dass z.B. nach Bad Reichenhall, wo der Güterverkehr vermutlich eher gering war, nur aus einem der 3 Gleise eine Fahrstrasse eingestellt werden konnte.

 

Sehr bemerkenswert sind die vielen einfachen Kreuzungsweichen am westlichen Bahnhofskopf. Ich habe 8 Stück gezählt, während es nur 3 doppelte Kreuzungsweichen gibt. Bei Rangiermanövern dürfte das für das beteiligte Personal recht anspruchsvoll gewesen sein. Wenn man eine manövrierende Lok ins falsche Gleis abgelassen hat, stand man vor einer einfachen Kreuzungsweiche und konnte das gewünschte Gleis nicht erreichen.

 

Interessant ist auch die schlechte Anbindung der Depotanlage bzw. des BW. Von Gleisen 1 - 4 kann dieses nicht erreicht werden. Eine der erwähnten einfachen Kreuzungsweichen, nämlich jene rechts von Stellwerk 1 verhindert aber auch, dass der rechte Teil des BW von Gleisen 5, 6, 7 und 8 erreicht werden kann. Hierzu kenne ich den Bahnhof und die Betriebsabläufe zu wenig, um Vermutungen anzustellen. Ein Teil des BW wurde wohl für Dampflokomotiven genutzt, der andere für Elektrolok.

Aus den "Mühldorfergleisen" 7 und 8 lässt sich das BW überhaupt nicht direkt erreichen. Das dürfte damit zusammenhängen, dass alle Züge von / nach Mühldorf nach Salzburg durchgingen (siehe Bemerkungen von  Philipp Dißelkamp). 

 

Die Strecken Salzburg - München und Freilassing - Bad Reichenhall - Berchtesgaden waren 1931 bereits elektrifiziert. Auf der Strecke nach Mühldorf herrscht bis heute Dieselbetrieb, die Strecke soll aber elektrifiziert und auf Doppelspur ausgebaut werden.

 

Die mechanischen Stellwerke inkl. bayrischen Ruhesignalen wurden 1978 durch ein Druckstastenstellwerk ersetzt. Das Gebäude von Stellwerk 2 ist heute noch vorhanden, das BW umfasst inzwischen ein Museum.

Text von Stefan Niklaus

 

 

 

neu 14.10.2022: Philipp Dißelkamp konnte sich vor ca. 2 Jahren in Freilassing mit einem ehemaligen Fahrdienstleiter unter- halten, der den Bf noch zu Formsignalzeiten erlebt hat. Hier seine Notizen (sind Stand Mitte 1970er):

 

 

Fahrten Bf Freilassing Formsignale

 

Gleis

Nutzung

Einfahrten aus

Ausfahrten nach1  Gleis 1

1

Stammgleis ri. Hall, Pendelzüge ri. Salzburg (Bereitstellung)

Hall, Rosenheim

Reichenhall, Rosenheim, Salzburg

2

DgHgl ri. Salzburg

Rosenheim

Salzburg

3

Überhol. Hauptstrecke, auch Züge ri. Hall

Hall, Rosenheim, Salzburg

Hall, Rosenheim, Salzburg

4

DgHgl ri. Rosenheim

Salzburg

Rosenheim

5

Flexible Nutzung

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

6

Rangiergleis

 

 

7

Fahrten Mühldorf – Salzburg

Mühldorf

Salzburg

8

Abfahrgleis Mühldorf, auch Einfahrten

Mühldorf, Salzburg

Mühldorf

9

Wartegleis Gz ri. Salzburg

Rosenheim, Mühldorf

Salzburg

10

Flexible Nutzung

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

11

Wartegleis ri. Rosenheim/Mühldorf

Salzburg

Rosenheim, Mühldorf

12

Bereitstellung Ng – Ankunft Ng aus ri. Salzburg

Salzburg

Hall, Rosenheim, Mühldorf

 13

Ankunft Ng – Abfahrt Ng ri. Salzburg

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

Hall, Rosenheim, Mühldorf, Salzburg

 

Gleis 8 besitzt Sh-Signal ri. Salzburg

Gleis 13 besitzt Sh0-Tafel mit W-Signal auf westl. Seite

 

Kleine Anmerkung am Rande: Mit „Hall“ ist natürlich Bad Reichenhall gemeint, das die hier in Oberbayern typische Abkürzung ;-) 

Text von Philipp Dißelkamp, München

 

 

 

Hier fällt auf, dass nun auch aus Gleis 1 Richtung Bad Reichenhall ausgefahren werden kann. Dazu musste ein zusätzliches Ausfahrsignal aufgestellt werden. Dazu konnte Philipp Dißelkamp sogar einen Bildbeweis liefern:

 

Foto Sammlung Philipp Dißelkamp, Quelle Eisenbahnstiftung

 

Der hintere Zugzielanzeiger ist mit „Berchtesgaden“ beschildert. Ich gehe mal davon aus, das wir hier eine für die Jahre typische Betriebssituation sehen. Der aus Richtung 

Rosenheim nach Salzburg fahrende Eilzug führt am Schluss eine Wagengruppe Richtung Berchtesgarden mit. Meistens wartete die Lok

Meistens wartete die Lok für den hinteren Zugteil im Bereich der Ladegleise, um so unkompliziert ein schnelles Kopfmachen zu ermöglichen (Quelle: Verschiedene Beiträge im Forum "drehscheibe-online").

Text von Philipp Dißelkamp, München

 

Ein Artikel zu bayrischen Ruhesignalen, denn ich vor langer Zeit aus einer Zeitschrift ausgeschnitten habe.

 

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