Territet

Diese noch heute bestehende Haltestelle war lange Zeit mit einem mechanischen Stellwerk ausgestattet. Der Grund ist ein Bahnübergang in unmittelbarer Nähe der Haltestelle, der auch von der Trambahn Vevey - Montreux - Chillon (VMC) benutzt wurde. Diese 1888 eröffnete Bahn war die erste elektrifizierte Strecke der Schweiz und wurde 1903 bis Villeneuve verlängert. In den 1950er Jahren wurde das Tram stillgelegt und durch einen heute noch bestehenden Trolleybus abgelöst.

 

Instruktion über die "Installations mécaniques et électriques pour le service" vom März 1899. Das ist nicht nur das älteste Dokument, das mir bisher im Rahmen dieser Homepage begegnet ist, sondern auch das einzige handgeschriebene. Trotzdem ist es sehr gut lesbar und verständlich. Es stammt noch von der Jura - Simplon - Bahn (JS), die 1901 in die neu gegründete SBB aufgegangen ist.

 

  • Der eigentliche Bahnhof gehört zur Standseilbahn Territet - Glion. Bei der JS gibt es beidseitig der Hauptgleise einen Unterstand ("Abri")
  • Die Station ist mit 3 Scheibensignalen ausgerüstet.
  • Signale A und B1 werden vom bergseitigen Haltestellengebäude aus mittels Kurbeln bedient. Mit einer weiteren Kurbel werden die Barrieren verriegelt. Die Signale können nur auf Fahrt gestellt werden, wenn diese Kurbel bedient wurde
  • Signal B wird vom seeseitigen Unterstand aus bedient. Es weist keine Abhängigkeiten auf.
  • Signale A und B werden von den vorbeifahrenden Zügen auf Halt gestellt (automatische Haltfallvorrichtung)
  • Bei geöffneten Signalen A oder B ertönt eine Klingel, je nach Signal in unterschiedlichen Tonlagen
  • Zur Verständigung zwischen dem Barrierenwärterhaus, dem bergseitigen Unterstand und dem Bahnhofsgebäude sind Klingeln eingerichtet
  • Die Übergang ist mit Rollbarrieren ausgerüstet, also mit Gattern auf Rädern. Die geschlossene Stellung wird mit einem elektrischen Kontakt überwacht und im bergseitigen Unterstand rückgemeldet: Weisses Fenster mit dem Wort "fermé" zeigt die geschlossene Stellung an, rotes Fenster bedeutet Barrieren offen
  • Beim Übergang und beim Haltestellenunterstand sind Abläuteglocken aufgestellt. Damit werden abfahrende Züge von den Nachbarstationen Montreux und Veytaux angekündigt. Auch die Notsignale "Wagen entlaufen" oder "Halt für alle Züge" können abgegeben werden

Instruktion JS 1899: Sammlung O. Wileczelek

 

Plan Stand 1. Dezember 1937

 

  • Anstelle der Scheibensignale sind nun Semaphore mit Vorsignalen aufgestellt
  • Im bergseitgen Haltestellenunterstand befindet sich ein Stellwerk Jüdel mit 3 Signalkurbeln. Eine vierte Kurbel ist nicht angeschlossen. Ebenfalls vorhanden ist ein Riegelhebel für die Barriere und ein Hebel für das Durchfahrsignal Dd. Ob dieser Apparat Jüdel schon zum Zeitpunkt des oberen Plans, also 1899, vorhanden war, konnte ich nicht eruieren. Im Buch "Hebel, Riegel und Signale" von Hans G. Wägli ist ein Stellwerk Westinghouse aus dem Jahr 1925 erwähnt, was nicht zu diesen Plänen passt
  • Signal B ist auf der rechten Seite aufgestellt. Dass es auf doppelspurigen Strecken rechts positionierte Signale gab, war mit nicht bekannt. Solche Signale werden in der Schweiz nicht speziell gekennzeichnet. Im Signalreglement steht dazu nur, dass die Signale in der Regel links stehen. Beispielsweise in Deutschland müsste der abweichende Standort mit einem Signal Ne ("Schachbretttafel") signalisiert werden
  • Beim Bahnübergang gibt es neu einen zusätzlichen Fusswegübergang, der mit einer kleinen Barriere gesichert ist

 

Speziell ist, dass es in Territet in einer Richtung zwei Hauptsignale gibt, in der anderen nur eines. Diese Anordnung findet sich auch im benachbarten Veytaux-Chillon. Dort sind die Signale andersherum verteilt, so dass Montreux - Villeneuve in jeder Fahrrichtung je 3 Hauptsignale vorhanden sind.

 

Plan Sammlung O. Wileczelek

 

 

Territet war eine Station ohne Weichen. Diese eher ungewöhnliche Ausführung gab es nur noch in Chambesy und Vufflens-la-Ville. Genau genommen ist es gar keine Station, weil gemäss Fahrdienstreglement (FDR)  eine Station mindestens 1 Weiche aufweisen muss:

 

Ausschnitt aus dem Fahrdienstreglement (FDR) Ausgabe 1967 Sammlung S. Niklaus

 

Ein weiterer undatierter Plan zeigt eine ziemlich veränderte Situation:

  • Anstelle des Kurbelapparat Jüdel beim Unterstand ist nur noch ein "Appareil de commande" bei der Barriere vorhanden
  • Es gibt noch zwei Lichtsignale A und D, welche den Übergang decken. Vorsignal A* gehört schon zu Veytaux-Chillon, Signal D* ist das Vorsignal von Montreux
  • Die Signale A und D von Territet haben auch Vorsignale, die hier nicht eingezeichnet sind
  • Auch das neue Lichtsignal D ist auf der rechten Seite aufgestellt. Auf der linken Seite gibt es eine "Lanterne répétitrice", also einen Signalwiederholer von Signal D
  • Auf dem Bedienungstableau sind nebst Barieren auch "Ciseaux" (= Scheren) vermerkt.
  • Für die Barrieren des Fussgängerüberwegs ("Petites barrières") gibt es einen weiteren Schalter
  • Auch beim Tram sind Deckungssignale vorhanden. Seite Territet ist eine Ausweiche eingezeichnet

Eine weitere technische Besonderheit an der Kreuzung sind die Fahrleitungen: Das Tram war wie bereits erwähnt seit 1888 elektrifiziert. Das ursprüngliche exotische Stromsystem wurde 1913 auf eine normale Fahrleitung mit Gleichstrom 600V umgebaut. Bei der Elektrifizierung des SBB-Strecke mit 15 000V / 16 2/3Hz  musste eine komplizierte Fahrleitungskreuzung mit beweglichen Elementen konstruiert werden. Die oben erwähnten "ciseaux" beziehen sich auf diese Fahrleitungskreuzung.

 

Ein historisches Video, das den Vorgang anschaulich zeigt, findet sich hier: Link    

 

 

Schliesslich konnte der berüchtigte (siehe Bildunterschrift...) Bahnübergang 1952 durch eine Überführung ersetzt werden. Nicht klar ist mir, wo nun das Tram durchführte. Schienen oder Fahrleitung sind auf der Foto rechts unten nicht auszumachen. Stillgelegt wurde das Tram hier erst 1957.