Holzminden (2)

Jörg R. Becker aus Giessen, ein Nutzer der Homepage "Gleispläne" hat mir nicht nur weitere Pläne von Holzminden geschickt, sondern sich auch die Mühe genommen, meine Bemerkungen zu überprüfen und zu korrigieren. Dazu ganz herzlichen Dank an Jörg, seine grosse Arbeit war sehr aufschlussreich für mich. Ich weiss ja jeweils nicht, ob meine Gedanken einigermassen Hand und Fuss haben oder ob ich komplett danebenliege.

 

Gleisplan Holzminden Stand 1.12.1934

Plan Sammlung Jörg R. Becker

 

Für alle, die es ganz genau wissen wollen, nachstehend nochmals meine Notizen in blau aus Holzminden (1) und die Feststellungen dazu von Jörg:

 

 

Zunächst einmal zur Datierung: Du schreibst: „Der Gleisplan ist auch nicht datiert. Ich vermute, er stammt aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, also 1930er Jahre.“ Er ist – bis auf ganz wenige Details – identisch mit einem Plan meiner Sammlung der auf den 01.12.1934 datiert ist, also noch deutlich vor Kriegsbeginn. Es gibt nur sehr geringfügige Abweichungen zwischen den beiden Plänen, z. B. eine bei meinem Plan nicht mehr vorhandene Weiche rechts neben der Umladehalle. Von daher gehe ich zunächst einmal davon aus, dass es bei allen folgenden Überlegungen zwischen dem Stand der beiden Pläne keine gravierenden Unterschiede geben wird.

Im Folgenden zitiere ich den Text von deiner Seite in kursiver Schrift in blau und baue meine Ergänzungen in gerader Schrift in schwarz ein:

Das Einfahrsignal Y (in meinem Plan N) von Ottbergen ist dreiflüglig, jenes von Scherfede (O) nur zweiflüglig. Das könnte folgendes bedeuten:

Von Ottbergen (N)

1 Flügel: Gerade Einfahrt nach Gleis 2 (richtig, Fahrstraße N1)

2 Flügel: Einfahrt für Personenzüge nach Gleis 3 (nur via Gleis 54 möglich) (richtig, Fahrstraße N2)

3 Flügel: Güterzüge nach Gleis 60 (richtig, aber auch nach Gleis 61! Fahrstraßen N3)

 

Von Scherfede (O)

1 Flügel: Personenzüge nach Gleis 3 (richtig, Fahrstraße O1)

2 Flügel: Güterzüge nach Gleis 61 (richtig, aber auch nach Gleis 60! Fahrstraßen O2)

Ob Einfahrten von Scherfede nach Gleis 1 möglich sind, muss ich offenlassen. Weichenverbindungen sind vorhanden, aber dann müsste Signal Z eigentlich auch dreiflüglig sein.

Einfahrten aus Scherfede nach Gleis 1 sind – ebenso wie solche aus Ottbergen nach Gleis 1 – nicht möglich, denn Gleis 1 ist das Richtungsgleis aus Richtung Kreiensen nach Ottbergen oder Scherfede. Allenfalls wäre vorstellbar, dass aus Richtung Scherfede noch Einfahrten nach Gleis 2 hätten möglich sein können, dann träfe deine Vermutung mit dem 3. Flügel für das Signal O zu. Allerdings kann anhand meines Planes bestätigt werden, dass es diese Fahrmöglichkeit als feste Fahrstraße nicht gab, denn man sieht in Höhe des Stellwerks Hn in Gleis 2 lediglich einen einzigen Fahrstraßeneintrag: „N1“. Gäbe es hier eine Fahrstraße aus Richtung Scherfede, stünde auch noch „O…“ im Gleis, ähnlich wie in Gleis 3 auf etwa gleicher Höhe.

 

„Gleise 60 und 61 sind eine Art innere Einfahrgleise für Güterzüge. Die eigentlichen Gütergleise sind Gleise 10 und 11. Dazwischen gibt es noch die inneren Einfahrsignale R (in meinem Plan J) und S (K). Das ist eine ziemlich grosszügige Lösung und deutet auf einen starken Verkehr hin. Wenn z.B. Gleise 10 oder 11 besetzt waren, konnte ein Güterzug in Gleis 60 oder 61 angenommen werden und so das Streckengleis für einen nachfolgenden Zug freigeben. (das ist so korrekt)

 

Es ist denkbar, dass von Ottbergen auch nach Gleis 61 und von Scherfede nach Gleis 60 eingefahren werden konnte. Von den Weichenverbindungen her ist das möglich. (Ja, siehe oben, in meinem Plan sind diese Fahrstraßen eingezeichnet.)

 

Die inneren Signale R und S (J und K) sind mit Vorsignalen ausgestattet. Signal S ist wegen der besseren Sichtbarkeit nicht direkt an Gleis 61 aufgestellt, sondern zwei Gleise weiter rechts. (In meinem Plan steht das Signal K auch direkt neben dem Gleis – das ist eine der kleinen Differenzen der beiden Pläne…)

 

Ein auffälliges und wohl auch wichtiges Gleis ist die Nummer 55. Von dort können alle Gleise in der ganzen Breite inklusive BW (Lokschuppen) erreicht werden. Es liegt eben in einem Einschnitt, während die danebenliegenden Gleise schon in die Steigung übergehen. (Es mag seltsam anmuten: Tatsächlich gab es in Holzminden zwei Ablaufberge, einen im Osten und einen im Westen. Gleis 55 in deinem Plan (Gleis 6b in meinem) war das Gleis, aus dem man die Züge aus westlicher Richtung ablaufen lassen kann. Der östliche Ablaufberg ist die Verlängerung des Gleises 9 (als 9a bezeichnet) in östliche Richtung, aus diesem Gleis sind Abläufe in die Gleise 5 bis 12 möglich.)

 

Daneben befindet sich ein Gebäude mit der Bezeichnung "UL". Das könnte Umlad bedeuten, also eine Halle für den Umlad von Stückgütern (das ist so korrekt, die Halle ist in meinem Plan als „Umladehalle“ bezeichnet).

 

Am mittleren Gleis, das nicht in die Halle führt, ist ein Lademass vorhanden, in einem Gleis zusätzlich ein Wasserkran. Das Lademass macht Sinn, der Zweck des Wasserkrans an dieser Stelle ist mir hingegen nicht klar. (Hinsichtlich des Wasserkrans möchte ich folgende Überlegung anstellen: In Holzminden überwog der Güterverkehr, das werde ich später bei einer Fahrplanbetrachtung noch erläutern. Aus diesem Grunde vermute ich, dass man im Güterbereich des Bahnhofs einen Platz für die Aufstellung eines Wasserkrans zum Wasserfassen für die Rangier- oder auch die Güterzugloks finden wollte, damit diese nicht zu diesem Zweck die ganze Bahnhofsanlage queren müssen, um ins BW zu fahren. Gleichzeitig wäre die Anordnung im Bereich der Umladehalle auch ein wenig abseits der Güterzugfahrstraßen, so dass diese nicht während des Wasserfassens blockiert wären. Auch im nördlichen Bahnhofsende findet sich zwischen den Gleisen 10 und 11 ein Wasserkran in diesem Bereich des Bahnhofs… Aber das ist wie gesagt nur eine Vermutung.)

 

Hinter dem BW rechts befindet sich ein Gleis mit der Bezeichnung "Hf". Das ist das Anschlussgleis zum Hafen an der Weser. Dass es in Holzminden einen Hafen gibt, hätte ich nicht gedacht, die Weser ist aber tatsächlich auf ihrer ganzen Länge schiffbar.

Es gibt 2 BW (Lokschuppen), da die Stecken ursprünglich von 2 verschiedenen Bahngesellschaften betrieben wurden. Eines der BW hat 23 Stände, das andere deren 12. Die umfangreichen Gleisanlagen umfassen die für den Betrieb von Dampflokomotiven notwendigen Einrichtungen wie Drehscheiben, Unterhaltsgruben, Wasserkräne, Bekohlungsanlagen etc. 

Es gab im übrigen auch zwei verschiedene EG (Empfangsgebäude).

Beim Stellwerk Hmb finden sich 3 Ausfahrsignale L (ohne Buchstaben), M (M) und N (L), wobei ich bei L (ohne Buchstaben) nicht sicher bin, ob es überhaupt ein Hauptsignal ist. An dieser Stelle wäre es eher ungewöhnlich, da das dahinter liegende Gleis 17 nur ein Abstellgleis ist. Evtl. für Lokomotiven ab dem BW Richtung Scherfede. Sie könnten bis Gleis 43 vorziehen und von dort signalmässig abfahren. Immerhin führt Gleis 43 direkt auf das rechte Gleis der Doppelspur Richtung Scherfede. Das ist aber wie bereits erwähnt eine reine Spekulation. (Diese Überlegung im vorletzten Satz ist wichtig, um diese Anordnung zu verstehen: Das Signal K in deinem Plan (H in meinem) hat – ebenso wie die Signale M (M) und N (L) zwei Flügel. Man erkennt in meinem Plan, dass auf diese Signale jeweils in beide Richtungen Ottbergen (Höxter) und Scherfede (Fürstenberg) ausgefahren werden kann, und zwar über die Fahrstraßen H1, L1 und M1 (immer 1 Flügel) nach Ottbergen (Höxter), bzw. H2, L2 und M2 (immer 2 Flügel) nach Scherfede (Fürstenberg). Verfolge nun bitte einmal eine Fahrt eines Zuges aus Kreiensen über das Gleis 1 auf das Signal K2 (H2) nach Scherfede (Fürstenberg): Dieser Zug muss nach dem Signal auf der folgenden Weichenstraße 2 Gleise nach links fahren – auf das von dir als 43 bezeichnete Gleis, das zum Hauptgleis in Richtung Scherfede wird. Während dieses Gleiswechsels fährt er für kurze Zeit diagonal zum Gleisfeld und auf beiden Signale M (M) und N (L) zu, die links an den Nachbargleisen stehen. Diese zeigen dann „Halt“ (rotes Licht), da währenddessen aus diesen Gleisen nicht ausgefahren werden kann. Um nun sicherzustellen, dass das Lokpersonal durch diese beiden Signale an den Nachbargleisen nicht irritiert werden, hat man in Holzminden an diesem durchgehenden Streckengleis nach Scherfede (43) einen sogenannten „Erkennungsmast“ aufgestellt. Einen solchen Mast kannst du dir wie ein Form-Hauptsignal ohne Flügel vorstellen, an dessen Spitze als Nachtzeichen ein weißes Licht angebracht ist. Im Drehscheibe-Forum habe ich einen Auszug aus dem Signalbuch gefunden, in dem man gut erkennt, wie das aussieht:

 

https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?003,9519856,9520306#msg-9520306

 

Ein Erkennungsmast – wie hier in Holzminden – ist demnach ein „Signal“, hat aber im Gleisplan – da er keine Fahrstraße regelt und im Stellwerk keinerlei Bedieneinrichtung benötigt – keine Signalbezeichnung (Buchstaben).

 

Signal M (M) ist das Ausfahrsignal von Gleis 3 (Personenzüge) und N (L) von Gleis 4 (Güterzüge). Beide Signale sind zweiflüglig, daher ist anzunehmen, dass Fahrten sowohl Richtung Ottbergen wie Scherfede möglich sind. Das ist richtig, ich habe es weiter oben bereits erläutert: ein Flügel zeigt bei diesen Signalen die Fahrt nach Ottbergen, zwei die nach Scherfede. Auch in Gleis 5 sind Fahrstraßeneinträge L1/2 vorhanden, d. h. auch aus diesem Gleis kann in beide Richtungen ausgefahren werden.

 

Ebenfalls zweiflüglig ist das Ausfahrsignal K in Gleis 1. Vermutlich 1 Flügel für Ausfahrt Richtung Ottbergen, 2 Flügel Richtung Scherfede. Richtig, siehe auch weiter oben.

 

Im Bereich von Gleisen 12 - 14 befinden sich der Güterschuppen und die Ortsgüteranlagen mit diversen Rampen, Waagen (insgesamt 4!) und einem Lademass

 

Im Personenbahnhof gibt es nur 3 Bahnsteigkanten, das scheint mir für einen Bahnhof an 3 doppelspurigen Strecken eher wenig. Der Güterverkehr war wohl umfangreicher als der Personenverkehr. Gleise 17 und 18 dienten evtl. als Aufstellgleise für in Holzminden beginnende Reisezüge.

Holzminden war tatsächlich ein Bahnhof, der aus betrieblicher Sicht für den Güterverkehr wesentlich größere Bedeutung hatte als für den Personenverkehr. Dies wird auch dadurch ersichtlich, dass der Bahnhof damals über zwei entgegensetzte Ablaufberge verfügte. Die drei Bahnsteigkanten genügten offensichtlich zu jeder Zeit den Anforderungen des Personenverkehrs. Dies wird auch deutlich, wenn man sich einmal einen Fahrplan aus der damaligen Zeit anschaut, online habe ich ein Kursbuch von 1939 gefunden, zunächst die Strecke Kreiensen – Holzminden – Höxter – Ottbergen – Altenbeken (175):

https://www.deutsches-kursbuch.de/2_98.htm

 

Dann die Strecke von Holzminden nach Scherfede (174c):

https://www.deutsches-kursbuch.de/2_93.htm

 

Du siehst, dass hier nur wenige Personenzüge über den Tag verteilt fuhren. Die Bedeutung – vor allem der Streck 175, die in Ost-West-Richtung verlief – war bis zum zweiten Weltkrieg, eine Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet bzw. auch Aachen/Köln und Berlin herzustellen. Mit dem Eisernen Vorhang ab 1945 brach diese Verkehrsausrichtung auf einen Schlag zusammen, in ganz Deutschland orientierte sich der Bahnverkehr nun in Nord-Süd-Richtung um, einige wichtige Relationen wurden Hamburg – Hannover – Kassel – Frankfurt – Stuttgart oder München, Hamburg – Bremen – Köln/Ruhrgebiet – Rheinstrecken – Frankfurt – Stuttgart oder München und vergleichbare Verbindungen. Für die quer hierzu verlaufenden Linien blieben allenfalls Nebenstreckenfunktionen, mit denen sich aber auch nur wenige bis heute behaupten konnte. Der Rückbau der Strecken um Holzminden auf Eingleisigkeit geschah schon in den 1960er Jahren. Zwar war die Strecke bis Kreiensen damals noch zweigleisig, beide Strecken nach Scherfede und Ottbergen waren jedoch schon eingleisig.

 

Gleis 4 (und evtl. Gleis 5) ist das Gleis für Güterzüge in der Richtung Kreiensen - Ottbergen / Scherfede. Richtung Kreiensen sind Ausfahrten aus Gleisen 11, 10 und vermutlich 9 und / oder 8 möglich. Leider sind tatsächlich auch in meinem Plan an den Gleisen 4 und 5 keine Fahrstraßenkennzeichnungen für die Einfahrten aus Kreiensen eingetragen, so dass auch diese Plan offen lassen muss, ob Einfahrten auf Kreiensen nur in Gleis 4 oder auch in Gleis 5 möglich waren – allerdings lassen die Einträge von Ausfahrstraßen wie oben bereits gesagt in Richtung Scherfede und Ottbergen beim Signal N (L) deutlich auch Ausfahrten aus Gleis 5 zu, und zwar – wie aus Gleis 4 – in beide Richtungen.

 

Es gibt einen Ablaufberg, aus dem 10 Gleise erreicht werden können. Das dahinter liegende Ausziehgleis scheint mir eher etwas kurz geraten. Damit meinst du den Ablaufberg beim Stellwerk Hs, wobei ich sagen würde, dass man nur 8 Gleise zum Ablauf erreichen kann, denn die beiden äußersten Gleise 14 und 14a in meinem Plan liegen am Güterschuppen bzw. einer kurzen Laderampe. Zum zweiten, gegenüberliegenden Ablaufberg hatte ich bereits weiter oben etwas gesagt.

 

Es gibt keine Weichenverbindung aus den Gütergleisen 8-11 aufs falsche Gleis Richtung Kreiensen. Wenn dieses Gleis gesperrt ist, beispielsweise wegen Bauarbeiten, können Güterzüge erst nach einem Umstellmanöver ausfahren.  Das ist korrekt – allerdings dürfte dies auch tatsächlich nur in besonderen Situationen notwendig gewesen sein. Signalmäßige „Falschfahrten“ (also Fahrten auf dem „falschen“ Streckengleis) kannte man damals in Deutschland sowieso noch nicht, diese waren wenn überhaupt, sicher nur „auf Befehl“ möglich…

 

Viele historische Fotos von Holzminden befinden sich in diesem Beitrag:

https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?017,10269705

 

Text von Jörg R. Becker, Giessen

 

Nochmals ganz herzlichen Dank an Jörg für seine Ausführungen.

 

Ich bin soweit zufrieden mit mir, Jörg hat doch ein paarmal "richtig" geschrieben. Falsch lag ich bei diesen Punkten:

  • Den 2. Ablaufberg habe ich nicht erkannt und stattdessen auf ein Gleis in einem Einschnitt getippt. Ich wollte noch ein "evtl." oder "denkbar ist" einfügen und es nicht so absolut beschreiben, aber das ist irgendwie vergessen gegangen.
  • Bei den Einfahrten von Scherfede nach Gleis 1 sind mir der schweizerische Linksbetrieb und der deutsche Rechtsbetrieb durcheinander geraten. Einfahrten nach Gleis 1 wären sehr aussergewöhnlich, dort sollte in meinen Vermutungen Gleis 2 stehen.
  • Bei Signal M habe ich sogar den richtigen Buchstaben getroffen...
  • Völlig neu war für mich der Erkennungsmast. Sehr spannend, dass es mal so etwas gab, war mir nicht bewusst. Im Miba Report "Signale" gibt es einen kleinen Abschnitt dazu. Ich besitze das entsprechende Heft sogar, aber das war mir nicht mehr präsent.

Ein weiterer Plan Holzminden mit noch weitgehend intakter Gleisanlage

 

Plan Sammlung Jörg R. Becker

In diesem Plan aus dem Jahr 1965 fehlen schon einige Gleise. Insbesondere die Strecken aus Langeland (- Ottbergen - Höxter) und Scherfede sind nur noch einspurig. Auch Stellwerk Hw ist verschwunden.

 

Plan Sammlung Jörg R. Becker

 

Eine aktuelle Führerstandsfahrt Kreiensen - Paderborn mit interessanten Angaben zur Strecke ist unter diesem Link zu finden. Der Bahnhof Holzminden folgt bei 32:40.