Typische Gleisanlagen auf doppelspurigen Strecken Teil 3

 

Interessant ist die Anordnung der verschiedenen Gleisschemas auf den Strecken. Bei Einspurbetrieb führte das zu Problemen, von denen ich nicht weiss, wie sie gelöst wurden.

 

Recht logisch war die Situation auf der Strecke (Bern) - Gümligen - Thun, die 1914 - 1921 auf Doppelspur ausgebaut wurde. Stationen mit Übergangsmöglichkeit aufs falsche Gleis und solche ohne wechseln sich ab.

 

 

Wenn z.B. das richtige Gleis Wichtrach - Kiesen gesperrt wurde, erfolgte der Wechsel aus falsche Gleis schon in Münsingen. Das führte für einen Zug Bern - Thun zu obigem Fahrweg. In den Übergangsbahnhöfen Münsingen und Kiesen führt der Fahrweg jeweils über Gleis 3.

 

 

Anders sah es z.B. auf der Strecke Lausanne - Genève aus. Zwischen Allaman und Nyon liegen 4 Stationen ohne spitzbefahrene Weichen in den Hauptgeleisen. Ein direkter Wechsel vom richtigen aufs falsche Gleis ist nicht möglich.

 

 

Finden z.B. Bauarbeiten zwischen Allaman und Perroy statt, lässt sich die Situation noch gut lösen. Ein Zug in Fahrtrichtung Lausanne - Genève kann in Allaman aufs falsche Gleis wechseln und in Perroy zurück aufs richtige Gleis.

In diesem Beispiel muss der Zug in Allaman und Perroy anhalten. Zudem darf gemäss dem Fahrdienstreglement auf dem falschen Gleis höchstens mit 80 km/h gefahren werden. In diesem Fall dürfte das zu einem Zeitverlust von ca. 5 Minuten führen.

 

 

Bedeutend schwieriger ist die Lage, wenn sich die Baustelle (oder die Betriebsstörung, z.B. ein steckengebliebener Zug)  zwischen Gland und Nyon befindet. In dem Fall müsste von Allaman bis Nyon auf dem falschen Gleis gefahren werden, also über 17 km und 4 Stationen hinweg. Ob das wirklich so praktiziert wurde, ist mir nicht bekannt. Die Streckenkapazität wäre auf alle Fälle sehr stark eingeschränkt gewesen. Ein Zug in Fahrtrichtung Genève - Lausanne hätte unter Umständen in Nyon 20 Minuten und mehr auf den Gegenzug auf dem falschen Gleis warten müssen.

Einzige Alternative wäre gewesen, bis Gland auf dem richtigen Gleis zu fahren und von dort in Rückwärtsfahrt aufs falsche Gleis zu wechseln.

 

 

Schwierig dürfte die Situation auch auf der Strecke Bern - Fribourg - Lausanne gewesen sein: Von Palézieux bis Lausanne gibt es keine Möglichkeit, vom richtigen aufs falsche Gleis zu wechseln. Auch in Puidoux-Chexbres, immerhin ein Abzweigbahnhof, ist das nicht möglich.  Wenn wir wieder vom dümmsten Fall ausgehen, nämlich einem Unterbruch zwischen La Conversion und Lausanne, führt das zu dieser Situation:

 

Auch wenn die Zugsdichte früher geringer war, scheint mir ein Einspurbetrieb über 3 Stationen und 20 km fast nicht machbar. Aber auch die andere Variante - fahren bis La Conversion auf dem richtigen Gleis, danach rangiermässig vorziehen und zurückdrücken ins andere Gleis - erscheint problematisch: Das Gefälle nach der Station beträgt 18 ‰ und ein schwerer Zug könnte gar nicht zurückdrücken.

 

Erstaunlich ist, dass dieser Zustand recht lange so erhalten blieb. Erst 1981 wurde in Grandvaux eine neue Weichenverbindung eingebaut. Im Zirkular wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zusätzlichen Weichen zur Erleichterung des Einspurbetrieb dienen.

 

Als letztes Beispiel noch eine Skizze der Abschnitte Cossony - Croy-Romainmôtier / Chavornay. Auch dort dürfte es zu schwierigen Situationen gekommen sein. 

 

 

Wenn wir wieder vom schlechtesten Fall ausgehen, nämlich einer Sperre Daillens - Cossonay, entstand diese Situation. Der Einspurbetrieb musste auch über die Abzweigstation Daillens ausgeführt werden. In Daillens selber war kein Gleiswechsel möglich, auch nicht in Rückwärtsfahrt.

 

Im Kreis I gab es einen weiteren vergleichbaren Streckenabschnitt zwischen Vevey und Villeneuve mit den Zwischenstationen Clarens, Montreux, Territet und Veytaux-Chillon. In den anderen SBB-Kreisen waren solche Gleisanlagen weniger üblich, es gab mehr Zwischenstationen, in denen vom richtigen aufs falsche Gleis gewechselt werden konnte. Eine vergleichbare Situation kam noch auf der Strecke Winterthur - Romanshorn zwischen Oberwinterthur und Frauenfeld vor. Dort folgen sich die Stationen Wiesendangen, Rickenbach und Islikon, auf denen kein direkter Gleiswechsel vom richtigen aufs falsche Gleis möglich war.

 

DV Grandvaux Sammlung Wileczelek

Skizzen S. Niklaus